Oldenburg. Seit 45 Jahren pflegen die Handwerkskammern in Oldenburg und La Rochelle eine lebendige Partnerschaft. Zu den etablierten Praktika für Auszubildende ist nun ein Angebot für Ausbilder, die vier Tage lang im Westen Frankreichs viel über das Handwerk erfahren haben, hinzugekommen. Dafür interessierte sich in der vergangenen Woche auch die Presse im Département Charente-Maritime. Auf die Frage, was die Beweggründe für den Besuch seien, antwortete Anne Cordes, Geschäftsführerin der Bäckerei Janssen (Klein Scharrel): „Ich bin zum Essen hergekommen!“ Nach dem spontanen Lachen wurde den Journalisten schnell klar, dass hinter der Aussage auch viele berufliche Aspekte stecken.

Madeleines, Financiers, andere Gebäcke und die Herstellung von Baguettes und Broten: Für Anne Cordes und Frank von Aschwege, Ausbildungsleiter der Bäckerei Ripken in Apen, gab es viele interessante Informationen an der französischen Atlantikküste. Als Auszubildender war von Aschwege 1991 vor Ort. Die Bäckerei von damals war nicht mehr an dem Standort zu finden. Er konnte aber den Vertretern der Handwerkskammer Charente-Maritime, so heißt der Bezirk rund um La Rochelle, erklären, welche Gebäude oder Bauwerke zu der Zeit entstanden waren.

Auch Eckhard Stein aus Wilhelmshaven war schon in La Rochelle. Er befand sich 1979 in Ausbildung zum Gas- und Wasserinstallateur. Sein Gastbetrieb existiert noch. Die Präsidentin der Handwerkskammer Charente-Maritime, Sylvie Martin, machte eine Stippvisite möglich. Inhaber ist der Sohn eines ehemaligen Angestellten, der 1979 ebenfalls dort arbeitete. „Ich habe überlegt, wie ich am besten wieder nach La Rochelle komme. Eine Möglichkeit war, Kammerpräsident zu werden“, schmunzelte Stein, der 2019 in das höchste Amt der Handwerkskammer Oldenburg gewählt wurde.

Aus dem Malerhandwerk traten Marc Lohmann (Cloppenburg) und Frank Moese (Hatten) die Ausbilderreise an. Bei Böden, Wänden und Fassaden nahmen die beiden Inspirationen mit. Auch die Klappsysteme von Böcken oder andere Leitern als in Deutschland weckten Neugier. Der Inhaber des Malerbetriebes „Art décor 17“ in La Jarrie gab einen Katalog mit. In dieser Firma machte Marie Greten, Auszubildende bei Maler Lohmann in Cloppenburg, in den vergangenen zwei Wochen ein Auslandspraktikum. Sie war eine von sechs Azubis, die das Angebot der Handwerkskammer Oldenburg in diesem Jahr wahrgenommen hatten.

Beim Pressetermin stand ebenfalls eine junge deutsche Handwerkerin im Mittelpunkt: Lea Osterloh wird bei Imbusch Einrichtungen in Löningen zur Tischlerin ausgebildet. In Saint-Rogatien lernte die 19-Jährige im Betrieb von Sylvie und Patrick Martin neue Arbeitsweisen kennen. „Auslandspraktika bringen die jungen Menschen enorm weiter – sowohl bei der Arbeit als auch in der persönlichen Entwicklung“, sagte Kammerpräsident Stein. „Die Betriebe profitieren davon, weil ihre Auszubildenden selbstbewusster und selbstständiger zurückkommen.“

Präsident Eckhard Stein und Amtskollegin Sylvie Martin möchten den Austausch fortsetzen. Im Oktober sind Gegenbesuche von Auszubildenden und Firmenchefs geplant. „Wir haben eine überaus große Gastfreundschaft erfahren. Besichtigungen bei der handwerklichen Herstellung von Süßigkeiten, Macarons und Bier wurden durch die weiteren Besuche bei einem Maler-, einem Tischler- und einem Buchrestaurierungsbetrieb komplettiert. Zudem war die Führung durch das Berufsbildungszentrum der Kammer sehr beeindruckend“, zeigte sich Stein durchweg zufrieden mit den Themen und Kontakten, die in La Rochelle diskutiert und geknüpft wurden.

Kirsten Grundmann, Mobilitätsberaterin der Handwerkskammer, wird die Fahrt genau wie den Auszubildenden noch lange im Gedächtnis bleiben. Sowohl auf dem Hinweg (Wetter) als auch auf dem Rückweg (Streik) konnte nicht die geplante Route genommen werden. Wer sich als Auszubildender, junger Geselle oder als Betriebsinhaber für ein Praktikum im europäischen Ausland interessiert, kann sich bei Kirsten Grundmann unter Telefon 0441 232-275 melden oder an grundmann@hwk-oldenburg.de schreiben.