Stellten die aktuelle Lage im Oldenburger Handwerk vor (v. li.):
Heiko Henke (Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer), Philip Meerpohl (Geschäftsführer Meerpohl Spezialitätenfleischerei GmbH), Lukas Bartsch (Geschäftsführer der Stadt-Fleischerei Bartsch GmbH & Co. KG), Michael Metzler (Betriebswirtschaftlicher Berater der Handwerkskammer) und Eckhard Stein (Kammerpräsident).
© Handwerkskammer Oldenburg/Fenja Gralla
Robustes Handwerk in rauen Zeiten
Die Handwerkskammer Oldenburg stellt die Ergebnisse der Konjunkturumfrage vor. Aus der Betriebspraxis berichten die Geschäftsführer zweier Fleischereien.
erstellt am 24. Mai 2023
Oldenburg. Nach dem Stimmungseinbruch im Herbst blicken die Handwerksbetriebe im Oldenburger Land wieder zufriedener auf ihre Geschäfte. Bei der Konjunkturumfrage der Handwerkskammer Oldenburg gaben 86 Prozent der Unternehmen an, dass die Lage gut oder befriedigend sei. Der Geschäftsklimaindex erreicht 119 Punkte und befindet sich damit auf dem Frühjahrsniveau der vergangenen drei Jahre. Im Herbst 2022 lag der Index bei 91 Punkten. Energiekosten, verteuerte Finanzierungsbedingungen sowie schrumpfende Haushaltseinkommen hinterlassen jedoch Spuren. An der aktuellen Umfrage hatten sich 735 Unternehmen beteiligt.
„Kosten- und Preissteigerungen werden uns das ganze Jahr begleiten“, sagte Kammerpräsident Eckhard Stein bei der Vorstellung der Ergebnisse an diesem Mittwoch. „85 Prozent der Betriebe geben an, dass sich die Einkaufspreise erhöht haben, aber nur 60 Prozent sagen, dass sie ihre Verkaufspreise angepasst haben. Bereits im Herbst war eine ähnliche Situation zu erkennen“, so Stein. Der Präsident betonte: „Insgesamt ist das Handwerk in einer herausfordernden Zeit robust und krisenfest.“
Bei dem Pressegespräch berichteten Philip Meerpohl (29 Jahre) und Lukas Bartsch (31 Jahre) aus der betrieblichen Praxis. Die beiden Geschäftsführer der Oldenburger Fleischereien Meerpohl Spezialitätenfleischerei (85 Mitarbeiter) und Stadt-Fleischerei Bartsch (120 Mitarbeiter) stellen ihre Familienunternehmen für die Zukunft auf. Sie berichteten über den Grundsatz, handwerkliche Top-Qualität zu liefern und über mittelfristige Ziele. Immer im Fokus: die Wünsche der Kunden.
„In den vergangenen Monaten war aufgrund der hohen Inflation eine Kaufzurückhaltung zu spüren. Jetzt kommt die Grillsaison in Fahrt und wir können mit steigenden Umsätzen rechnen“, berichtete Philip Meerpohl. Im Angebot seien auf jeden Fall fleischlose Produkte. „Wir bieten sehr gerne Veggie-Produkte als Ergänzung an. Somit bekommt der Kunde alles für die ganze Familie beim Fleischer.“
Das Nahrungsmittelhandwerk, zu dem neben den Fleischern auch die Bäcker, Konditoren sowie Brauer und Mälzer gehören, kam bei der Umfrage auf 97 Indexpunkte – immerhin der höchste Wert „seit Corona“ für diese Branche. Bei Aufträgen, Umsätzen und Investitionen zeigen die Kurven, ausgehend von einem niedrigen Niveau, nach oben.
Für Fleischereien wie Meerpohl und Bartsch steigen zurzeit alle Einkaufspreise und Kosten, von Gewürzen bis zum Betreiben der Fahrzeugflotte. Lukas Bartsch erklärte zudem anschaulich, wie schwierig es derzeit für Unternehmer sein kann, Investitionsentscheidungen zu treffen. „Beispiel Energie: Wenn ein Kombidämpfer ersetzt werden muss, bleibt man beim Gas oder schafft man sich ein Stromgerät an?“
Die beiden Jungunternehmer schauen genau auf Entwicklungen: Nachhaltigkeit, Personalentwicklung, Aufbau des Fachgeschäfts der Zukunft, Kundenwünsche vom Fertiggericht bis zum Partyservice, den Lebensmittel-Einzelhandel als Partner, Energie sowie Bürokratie mit dem Stichwort „Kennzeichnungspflichten“. Aber zwei Dinge sehen beide als gesetzt: „Fleisch bleibt der Kern des Geschäftsmodells und wir sehen unsere Betriebe sehr gut für die Zukunft positioniert.“
Bezüglich der Konjunktur im gesamten Handwerk haben sich laut Präsident Eckhard Stein in einem derzeit rauen Umfeld drei Gewerkegruppen sehr positiv entwickelt. Er berichtete: „Im Kraftfahrzeuggewerbe ist der Index von 103 auf 132 Punkte gestiegen und liegt 13 Punkte über dem Durchschnitt von 119. Auftragsbestand und Investitionstätigkeit sind hoch. Das Gesundheitshandwerk liegt mit 112 Indexpunkten knapp unter dem Durchschnitt, zeigt sich aber mit erfreulichen Zahlen in der Beschäftigtenentwicklung und bei den Investitionen. Deutlich erholt haben sich die personenbezogenen Dienstleistungen, die während der Corona-Pandemie eine schwierige Zeit hatten.“
Im Bauhauptgewerbe sorgen Inflation, steigende Zinsen und Fachkräftemangel für einen Rückgang des Geschäftsklimaindex. Aufträge und Umsätze sind spürbar zurückgegangen. Bei den Gewerken des Ausbaus sind diese Tendenzen nur leicht zu erkennen. Hier liegt der Index noch mit 125 Punkten über dem Durchschnitt von 119. Das Bauhauptgewerbe meldet lediglich 100 Punkte; bei den Handwerken für den gewerblichen Bedarf sind es 118 Punkte.
Heiko Henke, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer, sprach die Personalsituation an: „Insgesamt suchen die Betriebe weiterhin nach Arbeitskräften. Allein auf der Ebene „gewerblich-technische Fachkräfte“ würden 37 Prozent der antwortenden Unternehmen offene Stellen haben. Mit 69 Prozent meldet der überwiegende Teil, dass die Personalsituation in den vergangenen sechs Monaten gleichgeblieben ist. Zwölf Prozent haben Personal aufgebaut. Dem stehen aber 19 Prozent gegenüber, die jetzt mit weniger Personal arbeiten.“ Für Henke muss die Fachkräftethematik weiter ganz oben auf der politischen Agenda stehen: „Nur mit gut qualifizierten Kräften lassen sich die Herausforderungen meistern. Ohne Hände keine Wende“, spielte Henke auf die Umsetzung der Energiewende an.