Genaue Prüfung: Die Selbstständigkeit wird seit der Pandemie verstärkt hinterfragt.
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Corona dämpft Freude am Unternehmersein 

Der Niedersächsische Handwerkstag (NHT) stellt Umfrageergebnisse und die Positionen zur Landtagswahl vor.

Corona hat deutliche Spuren mit Blick auf die Freude am Unternehmertum hinterlassen. Im Rahmen einer Betriebsumfrage, an der sich 800 Betriebe aus ganz Niedersachsen beteiligt haben, gaben mit 60 Prozent zwar die Mehrheit der Handwerkerinnen und Handwerker an, dass sie sich auch unter den aktuellen Rahmenbedingungen wieder selbstständig machen würden. Für 40 Prozent käme dieses allerdings derzeit nicht in Frage. Darunter betonten 20 Prozent, ihre Einstellung zur Selbstständigkeit Corona-bedingt verändert zu haben. Zu viele Verordnungen, zu große Unsicherheiten in den Betriebsabläufen, zu viel Druck und Zeitaufwand sowie Ausfälle bis hin zu Betriebsschließungen haben die Unternehmerfreude deutlich abkühlen lassen. Dabei zeigt die Umfrage, dass gerade das Handwerk sehr robust aufgestellt ist und die Perspektiven ausgesprochen gut sind.

Die Nachfrage nach handwerklichen Leistungen ist in nahezu allen Bereichen sehr groß. „Mit ihrer Wirtschaftslage sind gegenwärtig fast 90 Prozent der Betriebe zufrieden, darunter knapp 60 Prozent sogar sehr zufrieden. Vor dem Hintergrund der außerordentlichen Infrastrukturdefizite im Straßen- und Brückenbau, in Schulen oder auch im Wohnungsbau sowie der aktuellen Herausforderungen im Rahmen der Klima- und Energiewende oder auch bei der elementaren Grundversorgung vor Ort verwundert das wenig“, betont NHT-Präsident Mike Schneider.

„Auch im Hinblick auf die weitere Entwicklung zeigen sich die Betriebe insgesamt optimistisch. Acht von zehn Betrieben rechnen mit einer unverändert soliden oder verbesserten Lage. Nur knapp zwei Prozent der Betriebe gehen von einer deutlichen Abkühlung aus. Diese Einschätzung wird von den Konjunkturexpertinnen und -experten der niedersächsischen Handwerkskammern bestätigt. Sie rechnen mit einem Umsatzplus von zirka drei Prozent für das Jahr 2022 auf knapp 69 Milliarden Euro. Die Beschäftigtenzahl wird gemäß den Prognosen auf 542.000 leicht ansteigen. Dabei werden bei weitem nicht alle offenen Stellen für qualifizierte Handwerkerinnen und Handwerker besetzt werden können. Die Fachkräftegewinnung ist eine große, aber aktuell nicht die größte Herausforderung.

Die Entwicklung der Beschaffungspreise für Rohstoffe und Materialien belasten 72 Prozent der Betriebe, die wachsenden Energiekosten knapp 70 Prozent. 69 Prozent klagten zudem über die wachsende Bürokratie, während die Fachkräftegewinnung von 66 Prozent als Herausforderung eingestuft wurde. „Höhere Kosten und Wartezeiten werden sich für handwerkliche Leistungen nicht vermeiden lassen. Dabei ist in den zehn Jahren vor Corona die Zahl der Beschäftigten bereits von 504.000 auf knapp 554.000 gestiegen, im Schnitt jedes Jahr 5.000 neue Stellen - und trotzdem ist der Bedarf weiterhin sehr groß.“

„Wir brauchen neben qualifizierten Fachkräften mehr junge Menschen, die Spaß daran haben, unternehmerische Verantwortung zu übernehmen“, betont Schneider.  Dass gerade die Ausbildung im Handwerk diesen Weg vorzeichnet, macht die gesonderte Befragung von über 1.000 Meisterinnen und Meistern, die in den vergangenen fünf Jahren ihre Prüfung abgelegt haben, deutlich. Fast jede und jeder Zweite gab an, sich in Zukunft selbstständig machen zu wollen. 85 Prozent dieser Jungmeisterinnen und Jungmeister begeistert die „berufliche Unabhängigkeit“, 66 Prozent die „Gestaltungsmöglichkeiten“ und 60 Prozent „die eigene Leidenschaft leben“ zu können und der „gezielte Einsatz der eigenen Fähigkeiten“. „Auch für diesen Weg müssen mehr junge Menschen gewonnen werden“, macht Schneider deutlich.

Die Positionen des niedersächsischen Handwerks zur Landtagswahl 2022 sind hier zu finden.