Die Kreishandwerkerschaft Oldenburg hat die Kampagne „Ab(i) ins Handwerk“ gestartet.
© Ricus Dirks

Authentische Videos sollen Vorurteile abbauen

Mit der Kampagne „Ab(i) ins Handwerk“ zeigt die Kreishandwerkerschaft Oldenburg, dass das Abitur und eine anschließende Ausbildung im Handwerk sehr gut zusammenpassen.

Die Kreishandwerkerschaft Oldenburg hat die Kampagne „Ab(i) ins Handwerk“ gestartet. Die angeschlossenen Innungen wollen mit dieser Maßnahme Klischees entkräften. Weil es immer noch unüblich ist, mit einem Abitur ins Handwerk zu gehen, zeigen kurzweilige Hochformatvideos auf TikTok, Instagram und Co. den Arbeitsalltag von sieben jungen Menschen, die genau diesen Weg gegangen sind. Anna, Bengt, Marcel, Jan, Anna, Florian und Michel erklären authentisch, warum diese Karriereentscheidung für sie richtig war.

Für die meisten Protagonisten war die handwerkliche Ausbildung nicht der erste eingeschlagene Weg. Hinter den sympathischen Kurzvideos steckt daher auch ein ernstes Thema: Kein anderer Schulabschluss ist so eng mit einer Erwartungshaltung verknüpft wie das Abitur. Sich trotz gymnasialer Schullaufbahn erstmal für eine Ausbildung und gegen ein Studium zu entscheiden, ist – vor allem wenn es um Handwerk geht – oft verpönt.

„Nur weil die Quote derjenigen steigt, die das Gymnasium besuchen, heißt das nicht, dass wir auch mehr junge Menschen haben, für die ein theorielastiges Studium das Richtige ist. Ich bin der festen Überzeugung, dass es eine Menge junger Menschen gibt, denen unsere praxisorientierte Arbeits- und Denkweise besser liegen würde“, erklärt der Oldenburger Kreishandwerksmeister Boris Jersch. „Wir möchten niemanden bekehren, aber wenn wir es mit diesem Projekt schaffen, ein paar junge Menschen zu ermutigen, ihre Interessen zu verfolgen und ihnen damit Umwege erspart bleiben, haben wir viel geschafft,“ ergänzt er weiter.

Auch wenn der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die in 2022/23 in Niedersachsen den gymnasialen Schulzweig besuchten, laut statistischem Bundesamt bei 43,6 Prozent lag, sei es zu einfach, Nachwuchssorgen im Handwerk allein darauf und auf den demographischen Wandel zu schieben, heißt es in einer Mitteilung der Kreishandwerkerschaft.

„Darf das Handwerk jungen Menschen Vorwürfe machen, weil sie den bestmöglichen Schulabschluss erlangen wollen? Ich denke nicht. Viel eher sollten wir daran arbeiten, Handwerksberufe auch für diese Zielgruppe attraktiver zu machen und mit Kommunikation Barrieren abbauen. Genau dort setzt ‚Ab(i) ins Handwerk‘ an und weicht Denkmuster auf“, erklärt Ricus Dirks, Mitarbeiter für Öffentlichkeitsarbeit und digitale Medien bei der Kreishandwerkerschaft und verantwortlich für die Umsetzung des Projekts.

Nicht Abschluss, sondern Motivation entscheidet

„Zu betonen ist, dass nach wie vor alle Schulabschlüsse willkommen sind. Wir können jeden gebrauchen, der großes Interesse und Motivation für handwerkliche Arbeit mitbringt“, weiß Boris Jersch. Die Karrieremöglichkeiten im Handwerk sind unabhängig vom Bildungsabschluss ausgezeichnet. Eine handwerkliche Ausbildung kann ein Sprungbrett in ganz verschiedene Richtungen sein. Viele Handwerksberufe sind durch die Digitalisierung und Energiewende außerdem sehr anspruchsvoll und komplex geworden. Die Elektro- und Kfz-Berufe oder der Anlagenmechaniker SHK sind dafür gängige Beispiele.

Nicht zu vernachlässigen: Handwerksberufe machen glücklich. Laut einer Umfrage der Versicherungsgesellschaft IKK classic aus 2022 sagten fast 80 Prozent aller deutschen Handwerkerinnen und Handwerker, dass sie glücklich mit ihrem Beruf sind. Zum Vergleich: Auf die gesamte arbeitende Bevölkerung bezogen, teilten nur 55,3 Prozent diese Ansicht.

Glaubwürdige Aussagen, echte Arbeiten und authentische Persönlichkeiten stehen im Fokus von Ab(i) ins Handwerk – kein Wunder, denn genau das kommt auf Social Media gut an. „Gescriptete Drehtage und vorbereitete Interviews waren für mich nie eine Option“, erklärt Ricus Dirks, der das Projekt entwickelt und umgesetzt hat. „Ich habe allen in Frage kommenden Kandidatinnen und Kandidaten das Projekt erklärt und im Anschluss jeweils einen regulären Arbeitstag als Drehtag vereinbart. Alles, was in den Videos passiert und gesagt wird, ist authentisch – niemandem wurde etwas in den Mund gelegt.“

Das Konzept kommt an: Die Beiträge wurden inzwischen über 35.000 Mal angeschaut. „Eine zweite Staffel wird es sicherlich geben – es fehlen ja noch einige Berufe“, ergänzt der Mitarbeiter der Kreishandwerkerschaft Oldenburg.

Zur Kampagne geht es jeweils mit dem Namen „handwerk.oldenburg“ – auf Facebook, Instagram, TikTok und YouTube